Bundesgesetz:
Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften
Der Nationalrat hat beschlossen:
Begriff der religiösen Bekenntnisgemeinschaft
§ 1. Religiöse Bekenntnisgemeinschaften im Sinne dieses Bundesgesetzes sind
Vereinigungen von Anhängern einer Religion, die gesetzlich nicht anerkannt sind.
Erwerb der Rechtspersönlichkeit für eine religiöse
Bekenntnisgemeinschaft
§ 2. (1) Religiöse Bekenntnisgemeinschaften erwerben die Rechtspersönlichkeit nach
diesem Bundesgesetz durch Antrag beim Bundesminister für Unterricht und kulturelle
Angelegenheiten nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach dem Einlangen dieses
Antrages, wenn nicht innerhalb dieser Frist ein Bescheid über die Versagung der
Rechtspersönlichkeit (§ 5) zugestellt worden ist.
(2) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten hat das Einlangen
von Anträgen gemäß Abs. 1 im ,,Amtsblatt zur Wiener Zeitung'' kundzumachen.
(3) Über den Erwerb der Rechtspersönlichkeit ist ein Feststellungsbescheid zu erlassen,
der den Namen der religiösen Bekenntnisgemeinschaft sowie die nach außen
vertretungsbefugten Organe in allgemeiner Bezeichnung zu enthalten hat.
(4) Mit dem Feststellungsbescheid nach Abs. 3 hat der Bundesminister für Unterricht und
kulturelle Angelegenheiten die Auflösung jener Vereine zu verbinden, deren Zweck in der
Verbreitung der Religionslehre der betreffenden religiösen Bekenntnisgemeinschaft
besteht.
(5) Wird eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft unter Auflösung eines Vereines, der der
Unterstützung des betreffenden religiösen Bekenntnisses dient, neu gebildet, so ist
abgabenrechtlich von einem bloßen Wechsel der Rechtsform und weiterem Fortbestehen ein
und
desselben Steuerpflichtigen (Rechtsträgers) auszugehen.
(6) Religiöse Bekenntnisgemeinschaften mit Rechtspersönlichkeit nach diesem Bundesgesetz
haben das Recht, sich als ,,staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft'' zu
bezeichnen.
Antrag der religiösen Bekenntnisgemeinschaft auf Erwerb der Rechtspersönlichkeit
§ 3. (1) Der Antrag der religiösen Bekenntnisgemeinschaft auf Erwerb der
Rechtspersönlichkeit hat durch die Vertretung der religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu
erfolgen. Die Vertretungsbefugnis ist glaubhaft zu machen. Ferner ist eine Zustelladresse
anzugeben.
(2) Dem Antrag sind Statuten und ergänzende Unterlagen beizulegen, aus denen sich Inhalt
und Praxis des Religionsbekenntnisses ergeben.
(3) Zusammen mit dem Antrag ist der Nachweis zu erbringen, daß der religiösen
Bekenntnisgemeinschaft mindestens 300 Personen mit Wohnsitz in Österreich angehören,
welche weder einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit nach
diesem
Bundesgesetz noch einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft
angehören.
(4) Im Bundesgebiet bestehende Vereine, deren Zweck in der Verbreitung der Religionslehre
der religiösen Bekenntnisgemeinschaft besteht, haben im Verfahren Parteistellung; sie
sind mit dem Antrag namhaft zu machen.
Statuten
§ 4. (1) Die Statuten haben zu enthalten:
1. Name der religiösen Bekenntnisgemeinschaft, welcher so beschaffen sein muß, daß er
mit der Lehre der religiösen Bekenntnisgemeinschaft in Zusammenhang gebracht werden kann
und Verwechslungen mit bestehenden religiösen
Bekenntnisgemeinschaften mit Rechtspersönlichkeit und gesetzlich anerkannten Kirchen und
Religionsgesellschaften oder deren Einrichtungen ausschließt,
2. Darstellung der Religionslehre, welche sich von der Lehre bestehender religiöser
Bekenntnisgemeinschaften nach diesem Bundesgesetz sowie von der Lehre gesetzlich
anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften unterscheiden muß,
3. Darstellung der sich aus der Religionslehre ergebenden Zwecke und Ziele der religiösen
Bekenntnisgemeinschaft sowie Rechte und Pflichten der Angehörigen der religiösen
Bekenntnisgemeinschaft,
4. Bestimmungen betreffend den Beginn der Mitgliedschaft und die Beendigung der
Mitgliedschaft, wobei die Beendigung jedenfalls gemäß § 8 Abs. 1 gewährleistet sein
muß,
5. Art der Bestellung der Organe der religiösen Bekenntnisgemeinschaft, deren sachlicher
und örtlicher Wirkungskreis, Sitz und Verantwortlichkeit für den staatlichen Bereich,
6. Vertretung der religiösen Bekenntnisgemeinschaft nach außen,
7. Art der Aufbringung der für die Erfüllung der wirtschaftlichen Bedürfnisse
erforderlichen Mittel,
8. Bestimmungen für den Fall der Beendigung der Rechtspersönlichkeit, wobei insbesondere
sicherzustellen ist, daß Forderungen gegen die religiöse Bekenntnisgemeinschaft
ordnungsgemäß abgewickelt werden und das Vermögen der religiösen
Bekenntnisgemeinschaft nicht für Zwecke verwendet wird, die ihrer Zielsetzung
widersprechen.
(2) In den Statuten kann vorgesehen werden, daß auch örtliche Teilbereiche der
religiösen Bekenntnisgemeinschaft eigene Rechtspersönlichkeit erwerben können. In
diesem Fall haben die
Statuten bezüglich der Teilbereiche zu bestimmen:
1. Bezeichnung des örtlichen Wirkungsbereiches,
2. eigene vertretungsberechtigte Organe,
3. Bestimmungen betreffend den Rechtsübergang bei Auflösung dieses Rechtsträgers.
Versagung des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit
§ 5. (1) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten hat den Erwerb
der Rechtspersönlichkeit zu versagen, wenn
1. dies im Hinblick auf die Lehre oder deren Anwendung zum Schutz der in einer
demokratischen Gesellschaft gegebenen Interessen der öffentlichen Sicherheit, der
öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten
anderer notwendig ist; dies ist insbesondere bei Aufforderung zu einem mit Strafe
bedrohtem gesetzwidrigen Verhalten, bei einer Behinderung der psychischen
Entwicklung von Heranwachsenden, bei Verletzung der psychischen Integrität und bei
Anwendung psychotherapeutischer Methoden, insbesondere zum Zwecke der Glaubensvermittlung,
gegeben,
2. die Statuten dem § 4 nicht entsprechen.
(2) Die Versagung der Rechtspersönlichkeit ist im ,,Amtsblatt zur Wiener Zeitung''
kundzumachen.
Erwerb der Rechtspersönlichkeit für örtliche Teilbereiche einer
religiösen Bekenntnisgemeinschaft
§ 6. Der Erwerb der Rechtspersönlichkeit für örtliche Teilbereiche einer religiösen
Bekenntnisgemeinschaft bedarf eines Antrages durch die religiöse Bekenntnisgemeinschaft
beim Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten und wird mit dem Tag
des
Einlangens wirksam. Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten hat
das Einlangen des Antrages zu bestätigen.
Mitteilungspflichten der religiösen Bekenntnisgemeinschaft mit
Rechtspersönlichkeit
§ 7. Religiöse Bekenntnisgemeinschaften und deren Teilbereiche mit
Rechtspersönlichkeit haben die Namen und Anschriften ihrer jeweiligen
vertretungsberechtigten Organe sowie jede Änderung der Statuten unverzüglich dem
Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten bekanntzugeben. Die
Kenntnisnahme ist bescheidmäßig zu versagen, wenn eine statutenwidrige Bestellung der
Organe der Behörde zur Kenntnis gelangt ist bzw. die
Statutenänderung den Grund für eine Versagung gemäß § 5 geben würde.
Beendigung der Mitgliedschaft zu einer religiösen
Bekenntnisgemeinschaft
§ 8. (1) Die Beendigung der Mitgliedschaft zu einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft
erfolgt jedenfalls durch die Erklärung des Austrittes vor der Bezirksverwaltungsbehörde.
Diese hat den Austritt der betreffenden religiösen Bekenntnisgemeinschaft mitzuteilen.
(2) Gebühren anläßlich des Austrittes dürfen nicht gefordert werden.
Beendigung der Rechtspersönlichkeit
§ 9. (1) Die Rechtspersönlichkeit endet durch
1. Selbstauflösung, die dem Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten
schriftlich bekanntzugeben ist,
2. Aberkennung der Rechtspersönlichkeit.
(2) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten hat einer
religiösen Bekenntnisgemeinschaft oder deren Teilbereich die Rechtspersönlichkeit
abzuerkennen, wenn
1. sie eine der für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit maßgeblichen Voraussetzungen
nicht oder nicht mehr erbringt,
2. sie durch mindestens ein Jahr keine handlungsfähigen vertretungsbefugten Organe für
den staatlichen Bereich besitzt,
3. bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Versagung der Rechtspersönlichkeit gemäß
§ 5, sofern trotz Aufforderung zur Abstellung des Aberkennungsgrundes dieser fortbesteht,
oder
4. bei statutenwidrigem Verhalten, sofern trotz Aufforderung zur Abstellung dieses
fortbesteht.
(3) Die Aberkennung der Rechtspersönlichkeit ist im ,,Amtsblatt zur Wiener Zeitung''
kundzumachen.
Register über die religiösen Bekenntnisgemeinschaften mit
Rechtspersönlichkeit
§ 10. (1) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten
hat ein Register über die religiösen Bekenntnisgemeinschaften mit Rechtspersönlichkeit
zu führen. Dieses
hat zu enthalten:
1. Name der religiösen Bekenntnisgemeinschaft,
2. Rechtspersönlichkeiten für Teilbereiche,
3. Geschäftszahl und Datum des Feststellungsbescheides gem. § 2 Abs. 3,
4. vertretungsbefugte Organe und Zeichnungsberechtigung,
5. bei Beendigung der Rechtspersönlichkeit den Grund.
(2) Das Register ist öffentlich.
(3) Auf Verlangen ist jedermann Auskunft über die Anschrift der religiösen
Bekenntnisgemeinschaft und über deren nach außen vertretungsbefugten Mitglieder zu
erteilen. Ferner ist auf Antrag der religiösen Bekenntnisgemeinschaft oder auch sonst von
Personen
oder Institutionen, die ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen, eine Bestätigung
darüber auszustellen, wer nach den vorliegenden Statuten sowie nach den Meldungen gemäß
§ 7 zur Vertretung nach außen befugt ist.
Zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem
Anerkennungsgesetz
§ 11. (1) Zusätzliche Voraussetzungen zu den im Gesetz betreffend die gesetzliche
Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. Nr. 68/1874, umschriebenen Voraussetzungen
sind:
1. Bestand als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre
als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit im Sinne dieses
Bundesgesetzes,
2. Anzahl der Angehörigen in der Höhe von mindestens 2 vT der Bevölkerung Österreichs
nach der letzten Volkszählung,
3. Verwendung der Einnahmen und des Vermögens für religiöse Zwecke (wozu auch in der
religiösen Zielsetzung begründete gemeinnützige und mildtätige Zwecke zählen),
4. positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat, 5. keine gesetzwidrige
Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und
Religionsgesellschaften sowie sonstigen Religionsgemeinschaften.
(2) Dieses Bundesgesetz findet auf laufende Verwaltungsverfahren auf Grund des Gesetzes
betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften Anwendung. Anträge auf
Anerkennung als Religionsgesellschaft sind als Anträge gemäß § 3 zu werten, wobei der
Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes als Tag der Einbringung gilt.
Schlußbestimmungen
§ 12. Dieses Bundesgesetz tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
§ 13. Mit der Vollziehung des § 2 Abs. 5 ist der Bundesminister für Finanzen, im
übrigen der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betraut.
Klestil
Klima
Dokumentnummer
BGBL/OS/19980109/1/0019&&
Rechtliches Gutachten des Verfassungsexperten Prof. DDr. Heinz Mayer
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