Die Fremden, die "Sekten" und der Riss in der christlichen Liebesmoral
oder
"Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit)  und Sektenphobie sind eineiige Zwillinge aus der Familie der Phobien!"

Hannes Roland


Wie steht es um das Christentum und um dessen Führerschaft in einem christlichen Land wie Österreich, wenn es auf Fremde und Ausländer zwar mit vorbildlicher karitativer Liebe und Hinwendung, auf Gruppen mit fremden religiösen Überzeugungen aber mit menschenverachtender und hassblinder Gegnerschaft antwortet?


Über Ausländerfeindlichkeit und Nächstenliebe wird dieser Tage auffallend viel gesprochen (Die katholische Internetseite  http://www.kathpress.co.at/   ist gefüllt mit Berichten darüber!) - jedoch "Sekten" zu verachten und als Feinde zu sehen gilt nach wie vor als schick und gehört zum "guten Ton".

Die "Fremdendiskussion" läuft bei uns offenbar auf mehreren Spuren. Eine wichtige darunter ist die "Ausländerspur", das betrifft die Fremden, die keine Österreicher sind - eine zweite ist die "Sektenspur", hier geht es um diejenigen, die aufgrund meist hetzerischer Aufklärung in den letzten Jahrzehnten auf viele befremdend wirken, weil sie ungewöhnliche religiöse Ideen vertreten, - und eine dritte ist die Inländerspur, hier geht es um diejenigen, die eine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Alle drei sind sich bei genauerer Betrachtung gegenseitig "Fremde".

Stellen wir nun die drei Gruppen - Inländer, Ausländer und "Sekten" - gegenüber, so gibt es auf jeder der drei Seiten Gutes, Böses und Fremdes. Nichts kann jedoch deswegen als gut oder böse beurteilt werden, weil es "fremd" ist. Fremd heißt doch nicht mehr und nicht weniger als "mir unbekannt". Fremdes zu beurteilen, finde ich, ist das allerallerschwierigste, das es geben kann. Es gibt keine Kriterien dafür. Auch die religiös und kulturell angelernten gut-böse Vorstellungen - die selbst innerhalb der Politik, der Wirtschaft oder der Religionen alles andere als einheitlich sind - tragen in Wirklichkeit nicht. Sie sind bei genauerer Betrachtung vollkommen ungeeignet das Fremde, das ja immer auch etwas Neues ist, richtig zu beurteilen. Jesus hat bereits vor 2000 Jahren davor gewarnt neuen Wein in alte Schläuche füllen zu wollen.

Man kann sich nun fragen: Sind die Inländer, die Ausländer oder die "Sekten"- jeweils als Gruppe gesehen - gut? Sind sie böse? Sind sie fremd? Versuchen Sie einmal diese Frage zu beantworten. Was für den einen gut ist, kann für einen anderen böse sein und was dem einen fremd vorkommt, ist einem anderen wohl vertraut. Für mich jedenfalls ist diese Frage so gestellt, dass sie bestenfalls zum Zwecke plakativer Demagogie benutzt werden kann. Sie ist in dieser Form aber prinzipiell nicht beantwortbar, denn wie wir alle wissen gibt es Inländer, die gut, böse oder fremd sind und auch Ausländer und "Sekten", die gut, böse oder fremd sind.

Mit solchen in sich unbeantwortbaren Fragen wird jedoch selbst in höchsten politischen, wirtschaftlichen und religiösen Kreisen hantiert und mit viel geschickter Rhetorik Schwarzweißmalerei und gar Hetze betrieben. (Ein Beispiel dafür ist die Broschüre "SEKTEN, Wissen schützt" des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie, deren Inhalt sich hauptsächlich auf die einseitigen, rein gegnerorientierten Informationen kirchlicher Sektenstellen stützt). Es werden Grenzen gezogen, wo man keine eindeutigen Grenzen ziehen kann. Es werden Keile in die Gesellschaft getrieben, auf die so lange hingedonnert wird bis am Ende nur noch Spaltungen und Einseitigkeiten übrig bleiben. Die einen werden dann kurzerhand als ausländerfeindlich hingestellt, die anderen gelten als ausländerfreundlich und werden als inländerfeindlich angesehen. Wieder andere werden als "Sekten" verteufelt von Menschen, die sich in heiligem Eifer selbst wie rechthaberische Inquisitoren benehmen. Und das alles in einem christlichen Land und unter der Schutzherrschaft der christlichen Großkirchen, die auf ihre christlichen Werte - und die Liebe zählt zu den höchsten unter ihnen - stolz sein wollen?

Gerade in der Beurteilung dessen, was mir am anderen als "fremd" erscheint ist äußerste Weitsicht, Umsicht und auch Vorsicht angebracht. Mit mehrerlei Maß zu messen kann kein brauchbarer Lösungsansatz sein. "Was siehst im Auge Deines Bruders du den Splitter, den Balken im eigenen Auge siehst du nicht!" heißt es in der Bibel. Die Geschichte und die Gegenwart sind übersät mit Urteilen und Einschätzungen, die sich später als Fehlurteile und Fehleinschätzungen mit oft grausamsten Folgen herausgestellt haben und noch herausstellen werden.

Wie steht es um das Christentum und um dessen Führerschaft in einem christlichen Land wie Österreich, wenn es auf Fremde und Ausländer zwar mit vorbildlicher karitativer Liebe und Hinwendung, auf Gruppen mit fremden religiösen Überzeugungen aber mit menschenverachtender und hassblinder Gegnerschaft antwortet? Wenn hier in einem Christen die "Nächstenliebe" schon nicht reichen sollte, sollte dann nicht wenigstens die Alarmglocke läuten, die ihn auffordert die "Feindesliebe" hervorzukramen und zur Anwendung zu bringen? Eines weiß jeder aus eigener Erfahrung: mit Liebe betrachtet sieht alles ganz anders aus. Nun kann man Liebe nicht fordern, sie muß vielmehr von innen heraus kommen.

Ich bin davon überzeugt, dass vieles, was aufgrund gegnerorientierter "Aufklärung" heute als "sektiererisch" gilt und gemeinhin als "widerwärtig und gar gesellschaftszerstörend" bezeichnet wird, in Wirklichkeit enorm zum Wohl unserer Gesellschaft und der Menschheit beitragen könnte, würden wir nur zulassen, das für möglich zu halten.

Könnten wir mit einem derartigen Schritt nicht einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Riss in der christlichen Liebesmoral zu verkleinern? Eine Kette ist nicht stärker als ihr schwächstes Glied. Wie stark ist dann die praktizierte christliche Liebesmoral, wenn sie selbst von kirchlichen Stellen offiziell dazu missbraucht wird, anderen, nur ihrer religiösen Überzeugung wegen, mit Verachtung zu begegnen?


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