Religionsfrieden in
Österreich und das Referat für Weltanschauungsfragen der Erzdiözese Wien
von Hannes Roland
Von links nach rechts: Johannes Sinabell,- Leiter des Referates, Stefan Lorger-Rauwolf, Brigitte Holmes-Edinger (mitte am Tisch)
Die neue Generation katholischer Sektenexperten meldet sich verstärkt zu Wort. Das Referat für Weltanschauungen der Erzdiözese Wien intensiviert die Beschreibung der von ihnen als Sekten und religiöse Sondergemeinschaften bezeichneten Gruppierungen.
Inzwischen sind 23 Neubeschreibungen kleiner religiöser Gemeinschaften in Österreich auf der offiziellen Webseite des Referats für Weltanschauungsfragen der Erzdiözese Wien www.weltanschauungsfragen.at erschienen. Rund die Hälfte davon stammt allein aus der Feder von Bernhard Dobrowsky (Bild), der sich damit als maßgeblicher katholischer Weltanschauungsgruppen-Experte der neuen Generation zu etablieren scheint.
Hat sich gegenüber den früheren Gruppenbeschreibungen etwas geändert?
Richtwerte für eine objektive Berichterstattung werden nur äußerst mangelhaft beachtet und es besteht die Gefahr, dass auch die zweite Generation der katholischen Sektenexperten nicht neu und objektiv recherchiert, sondern einfach eine im Inhalt leicht abgespeckte und in der Wortwahl etwas gemilderte Version alter Traditionen fortschreibt.
FOREF fordert daher:
1. Eine gründliche Neubearbeitung und inhaltliche Aktualisierung der
beschriebenen Gemeinschaften!
Das erfordert, die offensichtlichen und zu einem oft falschen oder zumindest
verzerrten Bild führenden Informationen der ersten Generation christlicher
Sektenexperten kritisch zu hinterfragen und entsprechend auf den neuesten
Stand zu bringen. Eine Fortschreibung von Fehlern, unbelegten Behauptungen,
mangelhaften Recherchen und rein subjektiven oft gegnerorientierten
Auslegungen durch Abschreiben entspricht nicht den Regeln einer modernen
objektiven Beschreibung. Sie trägt nicht zur Verbesserung eines
Religionsfriedens zwischen Großkirchen und religiösen Minderheiten in
Österreich bei.
2. Wertmaßstab 8. Gebot
Besondere Beachtung müsste insbesondere von kirchlichen Sektenexperten darauf
gelegt werden, dass alles getan wird, um eine Übertretung des
8. Gebots
auszuschließen, das da lautet: Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider
deinen Nächsten.
3. Absicherung der veröffentlichten Glaubensinhalte und der Glaubenspraxis
Die Beschreibung der Glaubensinhalte und der Glaubenspraxis muss so gehalten
sein, dass sich die langjährig praktizierenden Mitglieder damit identifizieren
können. Das heißt, der Autor kommt letztlich nicht
umhin sich offiziell an Vertreter der von ihm beschriebenen Gruppe zu wenden
und diese Inhalte entsprechend „absegnen“ lassen. Nur so kann sichergestellt
werden, dass Glaubensinhalte und Glaubenspraxis korrekt dargestellt werden.
Selbstverständlich kann zusätzlich eine Bewertung aus katholischer Sicht
erfolgen. Die beiden Standpunkte müssen jedoch für den Leser klar
unterscheidbar sein. Die Angabe offizieller Webadressen der beschriebenen
Gruppen sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
4. Ausgewogene Berichterstattung
Experten zeichnen sich dadurch aus, ein ausgewogenes, unverzerrtes Gesamtbild
zu vermitteln. Für eine ausgewogene Beschreibung ist es daher
selbstverständlich und unumgänglich, dass auch das Positive und Gute, das eine
Gemeinschaft hat und tut, entsprechend dargestellt und gewürdigt wird.
5. Verwendung von Worten und Begriffen
Fremdworte und Begriffe, die Unklarheiten, Missverständnisse oder
Fehldeutungen hervorrufen könnten, werden von guten Experten immer eindeutig
klargestellt. Insbesondere bei der Verwendung von Worten und Begriffen, die in
verschiedenen Gemeinschaften mit jeweils eigenen charakteristischen Inhalten
gefüllt sind, wie Gott, Messias, Endzeit, Erlösung und dergleichen, sorgen sie
dafür, dass im Leser keine falschen Vorstellungen geweckt werden. In diesem
Punkt muss besonders bei der Beschreibung dessen was andere glauben, sehr
behutsam vorgegangen werden. Es muss klar sein, dass oft genau diese
inhaltlichen Unterschiede charakteristisch für das Lehrgebäude, das Verhalten
und die Werteordnung der Mitglieder sind. Es ist beispielsweise ein
wesentlicher Unterschied, ob ich an einen jüdischen oder einen christlichen
Messias glaube; ob ich glaube, dass der Messias Gott oder Mensch oder
Gottmensch ist; ob meine Lehre besagt, dass Gott den Menschen braucht um
glücklich zu sein oder nicht. Eine Nicht-Klarstellung der Begriffsinhalte kann
nur zu Missverständnissen und sogar zu Fehlschlüssen führen. Das zu verhindern
müssen Experten bedacht sein.
6. Umgang mit Kritikpunkten an Lehre und Praxis
Kritikpunkte können nicht einfach als Vorwurfsbehauptungen in den Raum
gestellt werden. Die journalistische Sorgfaltspflicht erfordert, diese
entsprechend mit Fakten zu belegen. Dabei ist darauf zu achten, dass vieles
aus der Feder der Sektenexperten der ersten Generation einer objektiven
Neubewertung bedarf.
Religionsfrieden in Österreich?
Kardinal Christoph Schönborn schreibt in seiner aus gegebenem Anlass mit
diesen Worten betitelten Kolumne in der Tageszeitung „Heute“ am 18. Jänner
2008: „Toleranz ist nicht selbstverständlich. Gegenseitige Achtung,
aufeinander Zugehen. Das Positive des anderen zu sehen. Konflikte benennen und
bearbeiten. Sich ehrlich sagen, wo man miteinander Schwierigkeiten hat. Wird
dieses Lernen auch zwischen Christen und Muslimen gelingen?“
FOREF fragt: Werden die von Kardinal Christoph Schönborn
geforderten Haltungen und Umgangsformen wie Toleranz, gegenseitige Achtung,
aufeinander Zugehen, das Positive im anderen zu sehen und sich ehrlich zu
sagen, wo man Schwierigkeiten hat, auch zwischen der neuen Generation
katholischer Referenten für Weltanschauungsfragen und den kleinen religiösen
Gruppen Einzug halten bzw. ausgebaut werden?
Wenn die Antwort ein klares "Ja" ist, dann würden zahlreiche Eltern, Kinder
& Jugendliche aus den so oft im katholischen Sektenunterricht stigmatisierten
religiösen Minderheiten dem Herrn Kardinal vom Herzen dankbar sein.