Tiroler Tageszeitung
Sa/So 25./26. 3. 2000

GASTKOMMENTAR

"In der Sektenausstellung wird diskriminiert, ghettoisiert und schubladisiert."

Ein überzogener Alarmismus 
von Heinz ZANGERLE



Nach der Feuerwehr rufen, obwohl es nirgendwo brennt. - Der Alarmismus geht um! In einer Zeit, wo alle Finger auf „Nazi-Österreich" zeigen, ist er nicht nur in der Politik zum Stilmittel geworden, sondern auch bei diversen Experten und „Beauftragten". Jüngstes Beispiel ist die, vom steirischen Sektenbeauftragten Roman Schweidlenka erstellte, gegenwärtig durch Tirol tourende Wanderausstellung „Sekten - Satanismus - Okkultismus". Von Bäumen baumelnde Leichen, Hardcore-Satanismus, Bilder von Hitler - es ist ein dämonisierender Ausstellungsmix, der sich dem Ausstellungsbesucher da anbietet.

Auf 27 Bildtafeln wird ein Rundumschlag präsentiert, eine geballte Ladung aller nur möglichen Vorurteile gegenüber religiösen Gruppen. Motto: Wehret den Anfängen! Man klage an, wo auch nur der leiseste Verdacht bestehen könnte; über allem schwingt die Faschismuskeule. Statt sachlichen Informationen darüber, welche religiöse Gruppe welches konkrete Fehlverhalten an den Tag legt, werden religiöse Minderheiten ausgegrenzt. Allerlei Indiskretionen und Stigmatisierungen werden gegen einzelne religiöse Gruppierungen vorgebracht, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung von Gesetzen aufgezeigt werden. Da wird nicht informiert, sondern diskriminiert, ghettoisiert und schubladisiert!

Dass sich Angehörige nicht konventioneller Religionsgemeinschaften zutiefst verletzt fühlen ist verständlich. Kein Wort schließlich davon, dass die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1998 einhellig zum Ergebnis kommt, dass „von neuen religiösen und weltanschaulichen Bewegungen keine größeren Gefahren ausgehen als von den traditionellen Religionen".

In dieser pädagogigsch bedenklichen Form trägt die Ausstellung leider wenig zur gesellschaftlich wichtigen Auseinandersetzung mit Fragen neuer Spiritualität und Religiosität in unserem Land bei.

Jede Informationskampagne, die sich gegen antidemokratische und totalitäre Strömungen in Religionsgemeinschaften wendet, ist zu begrüßen. Die Ausstellung erfüllt diesen Anspruch aber kaum, weil sie mit Konzepten aus der Steinzeit der Anti-Raucherbewegung arbeitet, als man noch glaubte, durch das Zeigen von Raucherbeinen die Jugend vom Nikotin abhalten zu können. Auf überzogenen Alarmismus in Jugendfragen können wir aber zugunsten sachlicher Information und Diskussion verzichten.


TIROLER TAGESZEITUNG, Sa/So 25./26. 3. 2000

FOREF Update (Aussendung, 27.3.2000)