BUNDESGESETZ
Bundesstelle für Sektenfragen
Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und
Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Zweck des Gesetzes
§ 1. (1) Zweck dieses Bundesgesetzes ist die Einrichtung einer Stelle, deren Aufgabe es
ist, Gefährdungen, die von Sekten oder von sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen
können, zu dokumentieren und darüber zu informieren.
(2) Auf gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen
findet dieses Bundesgesetz keine Anwendung.
Begriffsbestimmung
§ 2. Dokumentation und Information über Sekten oder sektenähnliche Aktivitäten im
Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Dokumentation und Information über glaubens- und
weltanschauungsbezogene Gemeinschaften oder Aktivitäten, von denen Gefährdungen im Sinne
des § 4 Abs. 1 ausgehen können.
Einrichtung der Bundesstelle für Sektenfragen
§ 3. (1) Zur Wahrnehmung der Aufgabe (§ 4) wird unter der Bezeichnung ,,Bundesstelle
für Sektenfragen'' eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Inkrafttreten
dieses
Bundesgesetzes eingerichtet.
(2) Der Sitz der Bundesstelle für Sektenfragen ist Wien. Die Bundesstelle für
Sektenfragen ist berechtigt, ihrer Bezeichnung das Bundeswappen beizusetzen.
Aufgabenbereich
§ 4. (1) Aufgabe der Bundesstelle für Sektenfragen ist die Dokumentation und Information
über Gefährdungen, die von Programmen oder Aktivitäten von Sekten oder von
sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können, sofern ein begründeter Verdacht vorliegt
und diese Gefährdungen allgemein das Leben oder die physische oder psychische Gesundheit
von Menschen,
die freie Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit einschließlich der Freiheit zum
Eintritt zu oder Austritt aus religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften,
3. die Integrität des Familienlebens,
4. das Eigentum oder die finanzielle Eigenständigkeit von Menschen oder
5. die freie geistige und körperliche Entwicklung von Kindern und
Jugendlichen betreffen.
(2) Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe (Abs. 1) ist die Achtung der Toleranz für alle
Glaubensgemeinschaften und Weltanschauungen sowie die Achtung der Grundfreiheiten und
Menschenrechte einschließlich der Glaubens-, Religions- und Gewissensfreiheit aller
Bürger maßgeblich. Die Bundesstelle für Sektenfragen ist bei ihrer Tätigkeit
jedenfalls dem Gebot einer sachlichen, objektiven und wahrheitsgetreuen Information
verpflichtet.
(3) Zur Erfüllung der Aufgabe gemäß Abs. 1 ist die Bundesstelle für Sektenfragen, nach
Maßgabe des § 5, insbesondere berechtigt zur:
1. Sammlung, Auswertung und Weitergabe von Informationen;
2. Beratung von Betroffenen;
3. Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit in- und ausländischen Stellen;
4. Entwicklung, Koordination und Leitung von Forschungsprojekten.
(4) Die Bundesstelle für Sektenfragen ist weiters berechtigt, Aufgaben im Sinne der Abs.
1 bis 3 und nach Maßgabe des § 5 von Dritten vertraglich zu übernehmen.
Behandlung von Daten, Datenschutz
§ 5. (1 ) Zur Erfüllung ihrer Aufgabe ist die Bundesstelle für Sektenfragen berechtigt
nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7 Daten zu ermitteln, zu verarbeiten und zu übermitteln.
(2) Die Bundesstelle für Sektenfragen ist berechtigt, bereits öffentlich
zugängliche personenbezogene Daten über glaubens- oder weltanschauungsbezogene
Gemeinschaften, ihre Programme und Aktivitäten sowie öffentlich zugängliche Daten über
glaubens- oder weltanschauungsbezogene Aktivitäten von Einzelpersonen zu erheben und zu
verarbeiten. Liegt ein begründeter Verdacht einer Gefährdung gemäß § 4 Abs. 1 vor,
ist die Bundesstelle für Sektenfragen berechtigt, die erhobenen und verarbeiteten
öffentlich zugänglichen
personenbezogenen Daten zu übermitteln. Ansonsten ist eine Übermittlung dieser Daten
zulässig, wenn kein Grund zur Annahme besteht, daß schutzwürdige Belange der davon
Betroffenen überwiegen; personenbezogene Daten natürlicher Personen können in diesem
Zusammenhang jedoch nur dann übermittelt werden, wenn der Betroffene die zu
übermittelnden personenbezogenen Daten selbst offenkundig öffentlich gemacht hat.
(3) Personenbezogene Daten über glaubens- oder weltanschauungsbezogene Gemeinschaften,
ihre Programme und Aktivitäten, die nicht öffentlich zugänglich sind, können erhoben
und verarbeitet werden, soweit sie der Bundesstelle für Sektenfragen freiwillig
mitgeteilt werden oder sonst ohne jegliche Zwangsmaßnahmen rechtmäßig in ihren Besitz
gelangen, wenn ein
begründeter Verdacht einer Gefährdung gemäß § 4 Abs. 1 vorliegt. Das Erheben und das
Verarbeiten von nicht öffentlich zugänglichen personenbezogenen Daten natürlicher
Personen ist darüber hinaus nur zulässig, wenn die betreffende Person über eine bloße
Mitgliedschaft
hinausgehend in der betreffenden Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft aktiv mitwirkt
oder als Einzelperson glaubens- oder weltanschauungsbezogene Aktivitäten setzt. Die in
diesem Zusammenhang erhobenen und verarbeiteten personenbezogenen Daten dürfen nur
übermittelt werden, wenn
1. es zur Erfüllung der Aufgaben gemäß § 4 Abs. 1 erforderlich ist und
2. schutzwürdige Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegen.
(4) Die Übermittlung personenbezogener Daten darf nur erfolgen, wenn nach vorangehender
Prüfung anzunehmen ist, daß die Daten beim Empfänger nur zu dem der Übermittlung
ugrundeliegenden Zweck verwendet werden.
(5) Die Veröffentlichung personenbezogener Daten natürlicher Personen ist nur zulässig,
wenn von einer Person eine unmittelbar drohende Gefahr der Verwirklichung einer strafbaren
Handlung gegen die Schutzgüter gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 bis 5, der nicht anders als durch
die Veröffentlichung begegnet werden kann, ausgeht. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn
der Betroffene die zu veröffentlichenden personenbezogenen Daten selbst offenkundig
öffentlich gemacht hat.
(6) Die Speicherung der erhobenen personenbezogenen Daten ist spätestens nach zwei Jahren
auf ihre Erforderlichkeit zu prüfen. Personenbezogene Daten, die für die Erfüllung der
Aufgaben gemäß § 4 nicht unentbehrlich sind, sind unverzüglich zu löschen.
(7) Sofern nicht ausdrücklich anderes angeordnet wird, finden die Bestimmungen des
Datenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 565/1978 in der jeweils geltenden Fassung, Anwendung.
Leitung der Bundesstelle für Sektenfragen
§ 6. (1 ) Die Bundesstelle für Sektenfragen wird von einem vom Bundesminister für
Umwelt, Jugend und Familie zu bestellenden Geschäftsführer geleitet. Der
Geschäftsführer hat aus den
Dienstnehmern der Bundesstelle für Sektenfragen einen Stellvertreter zu bestellen; diese
Bestellung bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie.
(2) Die Funktion des Geschäftsführers ist ausschließlich auf Grund einer besonderen
Eignung der Bewerber zu vergeben. Die Eignung ist insbesondere auf Grund fachlicher
Vorbildung und bisheriger Berufserfahrung der Bewerber, ihrer Fähigkeit zur
Menschenführung, ihrer organisatorischen Fähigkeiten, ihrer persönlichen
Zuverlässigkeit sowie auf Grund ihrer Unbefangenheit und Unbeeinflußbarkeit
festzustellen.
(3) Der Dienstvertrag mit dem Geschäftsführer wird vom Bundesminister für Umwelt,
Jugend und Familie abgeschlossen. Die Entlohnung des Geschäftsführers hat sich an der
Besoldung für
Bundesbedienstete zu orientieren.
(4) Der Aufgabenbereich des Geschäftsführers umfaßt insbesondere folgende
Angelegenheiten:
1. Leitung der Bundesstelle für Sektenfragen;
2. Führung der laufenden Angelegenheiten der Bundesstelle für Sektenfragen;
3. jährliche Erstellung eines Arbeitsprogramms sowie eines Finanz- und Personalplanes
für das folgende Kalenderjahr (§ 8);
4. jährliche Erstellung des Geschäftsberichtes einschließlich eines
Tätigkeitsberichtes und des Rechnungsabschlusses (§ 9);
5. halbjährliche Berichterstattung über die von der Bundesstelle für Sektenfragen
wahrgenommenen Dokumentations- und Informationsfälle an den Bundesminister für Umwelt,
Jugend und Familie (§ 10 Abs. 1);
6. regelmäßige Berichterstattung über die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen
an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie auf dessen Verlangen.
(5) Der Geschäftsführer ist berechtigt, Angestellte durch Dienstvertrag einzustellen
sowie ein Dienstverhältnis durch Kündigung zu beenden. Auf das Dienstverhältnis der
Dienstnehmer ist
das Angestelltengesetz, BGBl. Nr. 292/1921 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden.
(6) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat die Bestellung zum
Geschäftsführer aus wichtigen Gründen, wie grober Pflichtverletzung sowie bei Verzicht
oder bei längerfristiger Dienstverhinderung, zu widerrufen.
Aufsichtsrecht
§ 7. (1) Die Bundesstelle für Sektenfragen unterliegt hinsichtlich der Besorgung ihrer
Aufgaben (§ 4) der Aufsicht durch den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie.
Diese Aufsicht umfaßt die Sorge für die Rechtmäßigkeit der Führung der Geschäfte und
die Aufrechterhaltung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben sowie die Kontrolle
der Gebarung der Bundesstelle für Sektenfragen.
(2) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat Entscheidungen des
Geschäftsführers aufzuheben, wenn diese in Widerspruch zu der geltenden Rechtsordnung
stehen, der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben gemäß diesem Bundesgesetz
zuwiderlaufen oder wegen der finanziellen Auswirkungen nicht durchführbar sind.
Arbeitsprogramm, Finanz- und Personalplan
§ 8. (1) Die Bundesstelle für Sektenfragen hat jährlich spätestens bis 1. November
für das jeweils folgende Kalenderjahr ein Arbeitsprogramm sowie einen Finanz- und
Personalplan zu erstellen, die der Genehmigung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und
Familie bedürfen.
(2) Jene Aufgaben, die gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 von der Bundesstelle für Sektenfragen
erbracht werden, sind im Arbeitsprogramm sowie im Finanzplan gesondert auszuweisen.
(3) Der Bund hat die laut Arbeitsprogramm und Finanzplan gemäß Abs. 2 ausgewiesenen und
genehmigten Kosten des notwendigen Personal- und Sachaufwandes der Bundesstelle für
Sektenfragen nach Maßgabe der jeweils geltenden finanzgesetzlichen Ermächtigung zu
tragen.
(4) Die Bundesstelle für Sektenfragen hat Einnahmen, die aus der Durchführung von
Aufgaben für Dritte gemäß § 4 Abs. 4 erzielt werden, im Finanzplan zu berücksichtigen
und zur Bestreitung ihrer Ausgaben zu verwenden. Diese Einnahmen mindern die vom Bund
gemäß
Abs. 3 zu tragenden Kosten.
Rechnungsabschluß, Geschäfts- und Tätigkeitsbericht
§ 9. Die Bundesstelle für Sektenfragen hat für jedes Kalenderjahr einen
Rechnungsabschluß in Form der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie
einen Geschäftsbericht nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmannes zu erstellen.
Der Geschäftsbericht hat einen umfassenden Bericht über die Tätigkeit der Bundesstelle
für Sektenfragen zu enthalten. Der Rechnungsabschluß und der Geschäftsbericht sind bis
spätestens 30. April des Folgejahres dem
Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie vorzulegen und bedürfen dessen
Genehmigung.
Besondere Berichtslegungspflichten
§ 10. (1) Die Bundesstelle für Sektenfragen hat die von ihr wahrgenommenen
Dokumentations- und Informationsfälle in einem zusammengefaßten Bericht unter Darlegung
aller datenschutzrelevanten Sachverhalte halbjährlich dem Bundesminister für Umwelt,
Jugend und
Familie vorzulegen. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat den Bericht dem
Datenschutzrat zur Kenntnis zu bringen. Ein vom Datenschutzrat einzusetzender
Arbeitsausschuß ist berechtigt, Einschau in die bei der Bundesstelle für Sektenfragen
vorhandenen Unterlagen zu halten.
(2) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat dem Nationalrat jährlich einen
Bericht über die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen zu erstatten.
Verschwiegenheit
§ 11. Die Organe und die Dienstnehmer der Bundesstelle für Sektenfragen sind,
unbeschadet der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und soweit gesetzlich nicht anderes
bestimmt ist, zur
Verschwiegenheit über alle ihnen aus ihrer Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 1 bis 3
bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gilt auch
nach dem Ausscheiden
aus der Funktion und nach Beendigung des Dienstverhältnisses. Eine Entbindung von der
Verpflichtung zur Verschwiegenheit kann durch den Bundesminister für Umwelt, Jugend und
Familie erfolgen, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.
Befreiung von Gebühren und Abgaben
§ 12. Die Bundesstelle für Sektenfragen gilt abgabenrechtlich als
Körperschaft öffentlichen Rechts soweit sie in Erfüllung der Aufgaben gemäß § 4 Abs.
1 bis 3 tätig wird. Die dem Aufgabenbereich des § 4 Abs. 1 bis 3 entsprechende
Tätigkeit ist abgabenrechtlich kein Betrieb gewerblicher Art.
Vollziehung
§ 13. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Umwelt,
Jugend und Familie betraut, soweit Abs. 2 nicht anderes bestimmt.
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich § 10 Abs. 1 letzter Satz
der Bundeskanzler, hinsichtlich § 12 der Bundesminister für Finanzen betraut.
Inkrafttreten
§ 14. Dieses Bundesgesetz tritt mit dem seiner Kundmachung folgenden
Monatsersten in Kraft.
Klestil
Klima
Dokumentnummer
BGBL/OS/19980820/1/0150&&
Artikel bezüglich Eröffnung der Datensammelstelle (Der Standard)
Dr. Bartenstein (BMJUF) unnd Dr. Müller (Datensammelstelle) laden zu einem Motivationsseminar für "Sectbusters" oder "Neue Inquisitoren" ein.
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