STELLUNGNAHME
zur
umstrittenen CD-Rom der
oberösterreichischen Landesregierung
& Diözese.
Prof. Ernö Lazarovits ist Holocaust-Überlebender, Buchautor und Mitglied Ungarischen Zentralrates der Juden und des Internationalen Christlich-Jüdischen Rates. In seiner Stellungnahme übt er mahnende Kritik am "kollektiven Schlechtmachen" religiöser Minderheiten seitens der Kirche und der OÖ. Landesregierung:
Darf
ich mich vorstellen? Mein Name ist Ernö Lazarovits, von der Jüdischen Gemeinde
in Budapest, in der ich für internationale Beziehungen verantwortlich bin. Ich
bin auch Mitglied des Internationalen Christlich-Jüdischen Rates und
einiger weiterer Organisationen.
Ich
erlaube mir, Stellung zu nehmen zur Informationspraktik der Oberösterreichischen
Landesregierung gemeinsam mit der Katholischen Kirche hinsichtlich kleinerer
Religionsgemeinschaften (auch Sekten genannt). Wenn Sie erstaunt sind, dass ich
mich zu diesem Thema zu Wort melde, so hat dies zwei Gründe:
1.
Zwar lebe ich in Ungarn, aber ich habe auch schon einige Zeit in Oberösterreich
"gelebt", von 1944-1945 in Mauthausen, wo ich am 4.Mai 1945 von der
US-Armee befreit wurde.
Auch
bei der heurigen Gedenkfeier in Mauthausen hatte ich wieder Gelegenheit, die
Mahnung an die Menschen zu wiederholen.
2.
Rein menschlich gesehen könnte ich auf Grund meiner Erlebnisse aus jener Zeit
zumindest einen gewissen Groll gegenüber Österreich(ern) empfinden, soweit
eben Ihr Land für die Geschehnisse verantwortlich zu machen ist.
Dass
mein Herz aber nicht von Groll geleitet wird, sondern von der Sehnsucht nach
Versöhnung und Verständigung, ist der Grund dafür, dass mir durch den Herrn
Bundespräsidenten Dr. T. Klestil im Jahr 2000 das „Große Ehrenzeichen der
Republik Österreich“ verliehen wurde.
Vom
Mauthausen-Komitee erhielt ich die „Pro Meritis“ Auszeichnung,
Frankreich ehrte mich mit dem Grad „Chevalier de l’Ordre National du
Merite“ und von Deutschland erhielt ich das „Große Verdienstkreuz
der Bundesrepublik Deutschland“.
Dennoch
ist mir etwas geblieben aus diesen leidvollen Erfahrungen des
Konzentrationslagers - nämlich eine gewisse Sensibilität und Sorge für
Menschen, die wegen ihrer religiösen Überzeugung angefeindet
werden.
Aus
Erfahrung kann ich sagen, dass es mit der Judenverfolgung so begonnen hat, dass
man uns zuerst schlechtgemacht hat, was im weiteren den Vorwand lieferte, die
wohl auch Ihnen bekannten nächsten Schritte zu setzen.
Heute
werden Gedenkfeiern abgehalten und bei jeder dieser Veranstaltungen wird
beschworen: so etwas darf nie wieder passieren!!
Dem
kann man nur beipflichten, jedoch muss man besonders "den Anfängen
wehren".
Mit
großer Beunruhigung muss ich daher feststellen, dass mit der, von der Kath.
Kirche und dem Land Oberösterreich herausgegebenen CD-ROM, mit dem Titel "Auf der
Suche nach dem Sinn", eine Behandlung von Andersgläubigen praktiziert
wird, die man im Ansatz als kollektives Schlechtmachen bezeichnen kann, so wie
man uns seinerzeit den "Judenstern" umhängte.
Damals
waren es "nur" die Juden, heute sind es "nur" die
"Sekten" - wo ist der Unterschied?
Auch
Österreich bekennt sich zu internationalen Menschenrechtsnormen, z.B. den 18
Paragraphen der UNO-Menschenrechtskonvention und auch zu nationalen Regeln (Präambel),
und die gilt es zu verwirklichen - auch wenn es schwer fällt.
Bitte
verzeihen Sie, wenn ich als Mitglied des Internationalen Christlich-Jüdischen
Rates meine tiefe innere Besorgnis so direkt zum Ausdruck bringe. Ich hoffe,
dass Sie dieses Schreiben nicht als Einmischung, sondern als Anregung sehen können,
mit den nicht historischen Religionen einen ehrlichen, respektvollen Dialog zu führen.
Ich
schreibe dies als Freund von Österreich.
Mit
freundlichen Grüßen aus Ungarn
Prof.
Ernö Lazarovits M.A.
Central Board
of the Federation of Jewish Communities
Kontakt:
LH. Pühringer: Tel.: 0732/7720-11167, Fax: 11790 LH.Puehringer@ooe.gv.at
LH-Stv. Franz Hiesl (Familienreferat), Tel. 0732772012190, E-Mail: LHSTV.Hiesl@ooe.gv.at
Diözese Linz: Bischof Aichern bischoefl.sekretariat@dioezese-linz.or.at
Dr. Kogler (Direktor-Linzer Bibelwerk), Tel: 0732 76103230 E-Mail: franz.kogler@dioezese-linz.at & city-forum@dioezese-linz.at
MMag. Andreas Girzikovsky (Kath. "Sektenbeauftragter" von Land & Diözese OÖ.), Kapuzinerstraße 84, A-4020 Linz, Tel.: (0732) 7610 DW 3231, Fax: (0732) 7610 DW 3239 E-Mail: weltanschauungsfragen@dioezese-linz.at
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