OTS0233
5 II 1047 NPA006 21.Feb 02
DISKUSSION
ÜBER SEKTEN IM FAMILIENAUSSCHUSS
http://www.parlament.gv.at
Abgeordnete
für Beibehaltung der Sektenstelle im Innenministerium
Wien (PK) - Die
Abgeordneten des Familienausschusses befassten sich im Rahmen der heutigen
Ausschusssitzung intensiv mit dem Thema Sekten.
Grundlage dafür bildete der dritte Tätigkeitsbericht
der Bundesstelle für Sektenfragen, der kürzlich von Sozialminister Haupt dem Nationalrat
vorgelegt wurde. Die Abgeordneten bewerteten dabei
die Arbeit der Bundesstelle als ausgesprochen positiv, sprachen sich aber für eine
weitere Intensivierung der Tätigkeit auf diesem Gebiet aus. Insbesondere Vertreter der SPÖ und der Grünen
traten zudem für eine Beibehaltung der Sektenstelle in der Bundespolizeidirektion
ein , ein Wunsch, der auch von
Sozialminister Haupt unterstützt wurde . Er
werde unter Hinweis auf die Diskussion im Ausschuss an Innenminister Strasser
hinsichtlich einer Beibehaltung dieser Dienststelle herantreten, unterstrich er.
Eingeleitet wurden die Beratungen im Ausschuss durch einen kurzen Bericht des
Geschäftsführers der Bundesstelle für Sektenfragen, German Müller. Ihm zufolge gibt es
keinen Hinweis, dass die Konflikte, die in Zusammenhang mit Sekten und sektenähnlichen
Organisationen auftreten, im Rückgang sind. Vielmehr deute die stetig steigende
Kontaktaufnahme mit der Bundesstelle für Sektenfragen auf das Gegenteil hin. So werde die
Stelle im Durchschnitt gesehen beinahe täglich mit einer Anfrage über eine bisher
unbekannte Gruppe konfrontiert.
Müller hielt darüber hinaus fest, dass sich die
Beratungstätigkeit der Bundesstelle im Berichtszeitraum gegenüber dem Vorjahr beinahe
verdoppelt habe, in vielen Fällen der Kontaktaufnahme reichten Informationen allein
nämlich nicht aus. Bei den Beratungsgesprächen falle dabei auf, dass die Zuwendung zu
einer Sekte häufig nur ein Symptom eines generellen Problems sei. Die Betroffenen suchten
nach Zuwendung, Geborgenheit oder intellektueller Verbesserung, genau hier setzten viele
Sekten an.
Als einen der
Schwerpunkte der Arbeit der Sektenstelle im heurigen Jahr nannte Müller die
Durchführung von Multiplikatorenschulungen, um Personen aus den verschiedensten Bereichen
für das Thema zu sensibilisieren. Darüber hinaus erachtet er den Aufbau eines
Helfernetzwerkes für besonders wichtig. In diesem Sinn ist die Bundesstelle für
Sektenfragen mit anderen professionellen Stellen wie der Jugendwohlfahrt, den
Pflegschaftsgerichten, aber etwa auch mit Elternvereinen in Schulen im ständigen Kontakt. Sehr bedauern würde es Müller, wie er sagte,
wenn aufgrund der Neustrukturierung im Innenministerium die Sektenstelle abgeschafft
würde, da die Zusammenarbeit mit speziellen Ansprechpartnern in den Bundesländern gut
funktioniert habe.
Der Geschäftsführer der Bundesstelle ging schließlich
noch kurz auf das Phänomen Satanismus ein und meinte, Jugendliche würden damit in erster
Linie eine Protesthaltung gegen Eltern, Schule oder andere Autoritäten ausdrücken. In
vielen Fällen verberge sich dahinter auch ein Hilferuf, weil die Betroffenen der Ansicht
seien, keinen Platz zu haben. Für gefährlicher als Jugend- Satanismus hält Müller das
punktuell auftretende Problem des Erwachsenen-Satanismus.
Im Rahmen der Diskussion wurde von mehreren Abgeordneten
die befürchtete Auflassung der Sektenstelle im Innenministerium angesprochen. So betonte
Abgeordneter Karl Öllinger (G), es sei wichtig, dass es bei der Exekutive kompetente
Ansprechpartner gebe, die bei notwendigen Ermittlungen genau wüssten, um was es gehe. Es
wäre sehr bedauerlich, wenn im Rahmen der Polizeireform diese Stelle nicht mehr
weiterarbeiten könnte, sagte er und ersuchte Sozialminister Haupt, diesbezüglich mit
Innenminister Strasser Kontakt aufzunehmen. Skeptisch
zeigte sich der Abgeordnete, inwieweit die Behörden gegen Entwicklungen wie Suizid im
Internet wirkungsvoll auftreten können.
Zahlreiche
Detailfragen richteten Abgeordnete der SPÖ an den Sektenexperten, wobei sich etwa
Ludmilla Parfuss und Gerhard Reheis dafür interessierten, ob die Personal- und
Mittelausstattung der Bundesstelle ausreichend sei. Abgeordnete Gabriele Binder gab zu
bedenken, dass die "Mäntelchen der Sekten" sehr unterschiedlich seien,
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek sprach sich für "Projekte statt
Broschüren" aus. Ihrer Ansicht nach geht es in erster Linie darum, Kinder
"stark" zu machen und damit gegen die Einflussnahme durch Sekten zu
immunisieren, wobei sie insbesondere auf das Problem von in Sektenfamilien hineingeborene
Kinder hinwies.
Seitens der ÖVP
bemerkte Abgeordnete Ridi Steibl, dass die zunehmende Berichterstattung in den Medien
über die Drogenproblematik die Problematik der Sektenfrage zurückdränge. Ihr
Fraktionskollege Gerhart Bruckmann machte geltend, dass die Grenze zwischen positiv zu
bewertenden Gemeinschaften und sektenähnlichen Kommunen fließend sei.
Abgeordneter Wilhelm Weinmeier (F) ortet mögliche
Nährböden für Sekten und sektenähnliche Aktivitäten im Bereich der Gesellschaft, aber
auch im Bereich der Medien, die durch ihre Berichterstattung über Einzelfälle seiner
Auffassung nach indirekt Werbung für Satanismus machten.
Abgeordneter
Sigisbert Dolinschek (F) regte die Durchführung eine Kampagne an, die Jugendliche
motiviere, von Sekten und sektenähnlichen Strömungen Abstand zu nehmen.
German Müller
stimmte den Abgeordneten zu, dass die Kernarbeit in der Prävention eine kritische
Auseinandersetzung mit den Kindern sei. Verbote würden ihm zufolge wenig helfen, da
gerade sie Anreize für die Jugendlichen darstellen könnten. Beim Umgang mit Kindern, die
in Sekten hineingeboren werden, empfehle es sich den Erfahrungen der Praxis zufolge, auf
die Kinder zuzugehen und damit zu vermitteln, dass die "normale Welt" lebenswert
und nicht böse sei.
Was die finanzielle und personelle Ausstattung der
Bundesstelle betrifft, verwies Müller darauf, dass im Jahr 2001 ein erhöhtes Budget
genehmigt wurde. Das erlaube der Sektenstelle, die Beratungstätigkeit weiter auszubauen.
Sozialminister Herbert Haupt wies darauf hin, dass es zu
einer Aufstockung der finanziellen Mittel für die Bundesstelle für Sektenfragen gekommen
ist. So seien im Jahr 2001 370.151 zur Verfügung gestanden, heuer seien es 436.037
. Damit habe eine zusätzliche
Mitarbeiterin angestellt werden können.
Hinsichtlich der
Stelle für Sektenfragen in der Bundespolizeidirektion sicherte Haupt dem Ausschuss
zu, nochmals an Innenminister Strasser heranzutreten und sich für eine Beibehaltung
dieser Dienststelle einzusetzen.
Bedauern äußerte der Minister, dass sich die
Jugendorganisationen wenig mit dem Thema Sekten beschäftigten.
Der dritte Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für
Sektenfragen wurde vom Familienausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen. Aus ihm geht
hervor, dass sich im Jahr 2000 1.807 Personen mit ihren Anliegen an die Bundesstelle für
Sektenfragen wandten, wobei das Informations- und Beratungsangebot vor allem von
einschlägigen Fachstellen, Privatpersonen und staatlichen Stellen in Anspruch genommen
wurde. In 55 Fällen kam die Kontaktaufnahme
von Gruppierungen mit Verdacht auf sektenähnliche Strukturen selbst. Die Anfragen an die
Sektenstelle bezogen sich auf 231 verschiedene Gruppierungen, wobei die meisten von ihnen
Scientology, Satanismus, Okkultismus und Esoterik betrafen.
Allgemein wird im Bericht darauf verwiesen, dass der
Arbeitsumfang der Bundesstelle für Sektenfragen ständig steigt und sich die Stelle als
zentrale und kompetente Anlaufstelle in sämtlichen Fragen zu so genannten Sekten,
Psychogruppen und Esoterik etabliert hat.
Mit der heutigen Beratung gilt der Sekten-Bericht als
"enderledigt", er wird somit nicht mehr im Plenum des Nationalrats diskutiert.
Zu Beginn der Sitzung des Familienausschusses war
Abgeordneter Gerhart Bruckner zu einem der Schriftführer des Ausschusses gewählt worden.
Eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz Tel.
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OTS0233 2002-02-21/15:52
211552 Feb 02
Kommentar
zur Parlamentsdiskussion von Dr. Christian SAILER, Pressesprecher
der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben
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DEUTSCHLAND: Religiöse
Diskriminierung in der Bundesrepublik von
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WIEN:18.12.2001 Bedenklicher
Jahresbericht 2000 der Bundessektenstelle
Bundessektenstelle rühmt sich 3953
"fachspezifische Kontaktaufnahmen" gehabt zu haben. Das sei eine Steigerung
gegenüber dem Vorjahr von 20%. Weiters stellt sie u.a. fest, dass die Zugehörigkeit zu
einer Sekte als "Hilferuf" verstanden und als "Symptom gewertet werden
könne, das auf eine tiefer liegende Problematik hinweise"
Wenn das
"Informations- und Beratungsangebot" wie es im Bericht heißt "vor allem
von einschlägigen Fachstellen, Privatpersonen und staatlichen Stellen, aber auch von
Firmen und privaten Institutionen sowie für Bildungszwecke in Anspruch genommen"
wurde, stellt sich eine ganz wesentliche Frage: Wie viele dieser 3953
"fachspezifischen Kontaktaufnahmen" bei der Bundessektenstelle, die sich als
Informationsdrehscheibe und Koordinationsstelle bezeichnet, dienten im Berichtjahr 2000
tatsächlich der Hilfe persönlich Betroffener? Von Hannes Roland
FORUM
Fragen an unsere Leser:
FRAGE: Wozu braucht die Bundessektenstelle eine katholische
Religionspedagogin & eine evangelische Fachtheologin im Mitarbeiterstab (wo doch die katholische & die evangelische Kirche von der
Beobachtung durch dieselbe Bundesstelle - wider dem Gleichheitsprinzip - ausgeschlossen
sind - §1. (2)?
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