Eine
kritische Analyse:
Neuauflage der
Anti-Sektenbroschüre
"Wissen
schützt"
herausgegeben vom
Familienministerium (BMUJF)
Sehr geehrte Damen/Herren,
das Familienministerium (jetzt
Ministerium f. Soziale Sicherheit & Generationen) und das
Unterrichtsministerium verbreiten bundesweit die Neuauflage der Broschüre "Wissen
schützt". Es wird erwartet, dass Schulen und öffentliche Ämter diese Publikation
als Lehr- und Aufklärungshilfe bezüglich religiöser Minderheiten verwenden. Der
Minderheitenschutz (wichtige Säule der Demokratie) wird vom unserem Staat nicht nur
ignoriert. Die Tatsache, dass sich hierzulande sogar Bundesministerien dazu hinreissen
lassen "Informationskampagnen" gegen religiöse Minderheiten zu initiieren, ohne
vorher die dafür notwendigen Recherchen anzustellen und mit den Betroffenen zu sprechen,
ist sehr bedenklich. Sie erinnert uns an die Methoden, die man im ausgehenden 20.
Jahrhundert eigentlich als Relikte längst vergangener Epochen gewähnt hat.
Im Sinne von Art. 18 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung
hat FOREF nach Gesprächen mit Mitgliedern verschiedener Glaubensgemeinschaften
folgende Analyse der Broschüre für Sie verfasst:
1. VERFASSUNGSWIDRIG
Die österreichische Verfassung garantiert
Glaubens- und Gewissensfreiheit für alle Staatsbürger. Es ist absolut nicht die Aufgabe
des Staates, zu bewerten, welche Religion "gut" oder "schlecht" ist.
Genau das passiert jedoch mit dieser "Sektenbroschüre". Religiöse
Minderheiten befürchten, dass diese Publikation eine Art "Judenstern"-Funktion
hat und damit eine Diskriminierung von SchülerInnen aus solchen Glaubensgemeinschaften
augelöst wird.
2. UNSACHLICH
Der Inhalt der Broschüre hält nicht, was der Titel verspricht. Wenig Wissen und viel Meinung wird darin vermittelt. Das
überrascht jedoch nicht, wenn man weiß, dass keine der darin angeführten
Religionsgemeinschaften zwecks Recherchen vom BMUJF kontaktiert wurden. Erst nach
intensiver Kritik seitens der Religionsgemeinschaften wurden einige "Irrtümer"
in der Neuauflage beseitigt. Diese Vorgangsweise erinnert an eine
"geistige Cowboymentalität" (zuerst schießen, dann Fragen stellen) und zeigt
eine denkbar schlechte Konfliktbewältigungskultur unserer Politiker: Man spricht nicht
miteinander, sondern übereinander.
3. GEGEN DAS GLEICHHEITSPRINZIP
Viele Glaubensgemeinschaften sind angeführt, jedoch sämtliche
"Sekten" innerhalb der Großkirchen (Opus Dei, Engelwerk, etc.) sowie die
evangelikalen Gruppierungen bleiben unerwähnt. Nach welchen Kriterien wird hier
kategorisiert? Diese Vorgangsweise unserer
"Volksvertreter" löst keine Probleme, trägt aber zur Verbreitung einer
feindseligen und konfliktträchtigen Atmosphäre hierzulande bei.
4. SATANISTEN NICHT ANGEFÜHRT
Gemäß den Berichten der Bundespolizeidirektion gab es gegen
Satanistengrüppchen belastendes Material, das strafrechtlich relevant war. Neue
religiöse Bewegungen ("Sekten") sind hier in keinster Weise auffällig. Warum sind aber satanistische Gruppen in dieser Broschüre nicht
angeführt? Und warum wird hier vor Religionsgemeinschaften gewarnt, die sich keiner
Gesetzesvergehen schuldig gemacht haben?
5. SCHLUSSBERICHT DER BONNER
ENQUETEKOMMISSION IGNORIERT
Eine von der deutschen Bundesregierung eingesetzte Enquete-Kommission hat Mitte
letzten Jahres ihre Arbeit über sog. Sekten und Psychogruppen abgeschlossen. Im Schlussbericht wurde in einer offiziellen Presseaussendung Entwarnung gegeben.
FAZIT: Sekten stellen keine wesentliche Gefahr für unsere Gesellschaft dar. Sie
ruft ausserdem zu einer toleranteren Haltung gegenüber religiösen Minderheiten auf und
hat sogar den positiven Einfluss, den viele dieser Gruppierungen auf die moderne
Gesellschaft haben können, hervorgehoben. Weiters wurde angeregt, in Zukunft den
abwertenden, negativenSammelbegriff "Sekte" nicht mehr zu verwenden. Leider hat
das österreichische Familienministerium in seiner "Sektenbroschüre" nichts von
diesen Erkenntnissen berücksichtigt.
6. SERIÖSE STUDIEN IGNORIERT
Die Resultate seriöser Studien, wie zum Beispiel die "Wiener
Studie", wurden in dieser Publikation völlig ignoriert. Man
fragt sich warum!
7. AUTOREN ANONYM
Die Identität der Autoren von "Wissen schützt" wird in beiden
Ausgaben der Öffentlichkeit vorenthalten. Warum?
8. ZEUGEN JEHOVAHS TROTZ
TEILANERKENNUNG MITEINBEZOGEN
Trotz der erlangten Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft im Rahmen des neuen "Anerkennungsgesetzes" (vom
Verfassungsexperten DDr. Heinz Mayer als "Aberkennungsgesetz"
kritisiert), wurden die Zeugen Jehovahs (über 20 000
Mitglieder in Österreich) auch diesmal wieder vom Familienministerium in der Anti-Sekten
Broschüre erwähnt und angegriffen.
9. VERHETZUNG
In der Broschüre werden unter der Rubrik: "Mögliche Konsequenzen für
Individuen und Gesellschaft" (S.49-50) in 21 Stichpunkten Konfliktpotentiale
aufgezeigt, die in Berührung mit "Sekten" auftreten "können - aber nicht
müssen". Diese Punkte sind grösstenteils hypothetischer Natur, widersprechen den
Resultaten seriöser Studien und können in einem Worte zusammengefasst werden: Angstmache !!! Der FOREF
Redaktion sind Fälle von Diskriminierung (seitens von Mitschülern und auch durch
Lehrkräfte) von Schülern, deren Eltern zu religiösen Minderheiten gehören, bekannt.
Staatlich sanktionierte (und produzierte) Diskriminierung von Religionsgemeinschaften ist
keine Hilfe für Lehrer und Schüler. Vielmehr schafft es Konflikte zwischen Lehrern,
Schülern und Familien.
10. FRAGWÜRDIGE
QUELLEN
Quellenangaben und Buchtipps (Anhang 1: Weiterführende Literatur) stammen zu über
80% aus dem apologetisch-inquisitorischen Lager der Großkirchen. Außerdem wird ein Buch
der amerikanischen Antikult-"Psychologin" Margaret Singer empfohlen, die wegen
Unprofessionalität und Befangenheit schon seit Jahren von US-Gerichten nicht mehr als
Beraterin herangezogen wird.
11. SCHLECHT
FÜR ÖSTERREICH
Dr. Bartenstein, der als Initiator von "Wissen schützt" zu sehen ist, hat
damit unserer Nation einen "Bärendienst" erwiesen. Er hat nicht nur viele brave
österreichische Staatsbürger angegriffen, die sich täglich bemühen ein rechtschaffenes
und tugendhaftes Leben zu führen. Indirekt hat er auch deren Glaubensbrüder und
-schwestern im Ausland verunglimpft, die in vielen Fällen einer im jeweiligen Land
anerkannten und angesehenen Glaubensgemeinschaft angehören. Ein Beispiel dafür ist die
buddhistische Laienbewegung "Soka
Gakkai"(S. 47), die in Japan hohes Ansehen genießt und dort sogar
Spitzenpolitiker zu ihren Anhängern zählt. Repräsentanten dieser Religion (über 12
Mill. Mitglieder) sind nicht wenig verwundert über die Inquisitionspolitik des
österreichischen Familienministeriums.
Nicht zuletzt ist die Sektenphobie unserer
Politiker der Grund dafür, dass Österreich dieses Jahr scharfe Kritik von
internationalen Menschenrechtsorganisationen, sowie von der OSZE
und dem US-Statedepartment
erntete (nicht Haider alleine ist schuld an unserem schlechten Image). Den Rügen aus
aller Welt zum Trotz verstößt das Familienministerium mit dieser Neuauflage der
"Sektenbroschüre" gegen alle fünf Forderungen im OSZE-99
Schlussdokument.
12. VERSCHWENDUNG
ÖFFENTLICHER GELDER
Es bleibt zu hoffen, dass Pädagogen sehr bald erkennen werden, dass diese
Publikation (die unserem Staat zweifellos wieder einige Millionen Schilling kostet) wenig
zur Lösung von Konflikten beitragen wird. Im Gegenteil: sie wird dort, wo nur imaginäre
Probleme existieren, wirkliche schaffen. Schlechtestenfalls
wird sie zur Intensivierung der Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit), der geistigen Apartheid
in unserem Lande und zu noch mehr Diskriminierung von Mitgliedern religiöser Minderheiten
beitragen. Bestenfalls wird die Broschüre im Papierkorb des Angeschriebenen landen.
Hoffen wir also für das Beste!
Was wir fordern (FOREF APPELL)
Fragen & Kommentare an:
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